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Normandie/Frankreich Verfasst am: 28.01.2007, 02:32 |
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Mike Kramer
Normandie, 18.-23.06.2004 – Die Invasion der Hunde
Eigentlich wollten wir ja in diesem Zeitraum unsere Hunde in Szczecin/ Polen ausstellen und dann auf die Insel Usedom weiterfahren. Da unsere Meldungen jedoch wegen „technischer Probleme“ nicht ankamen, entschlossen wir uns zum Gegenteil. Statt 570
Km nach Nordosten machten wir uns in den frühen Morgenstunden des 18.06.2004 auf den gleichlangen weg nach Südwesten. 60 Jahre nach der Alliierten Invasion sollte diese, zumindest nach einschlägigen Reiseberichten, wunderschöne französische Landschaft nun auch von uns heimgesucht werden.
Über Belgien, wo wir das letzte Wochenende erwischen um den Antwerpener Ring zu
befahren, bevor hier sehr langfristige Bauarbeiten alles zum Erliegen bringen (der Website des ADAC sei dank) geht es in Frankreich weiter über Landstrassen in Richtung Eu und Le Treport. Wer genug Zeit mitbringt und die recht teuren, wenn auch gut ausgebauten französischen Autobahnen meidet, kann schon auf der Fahrt
einen tiefen Blick in unser Nachbarland genießen.
In Voilaines machen wir auf dem Parkplatz einer Friterie die erste Pause
für die Hunde. Hier gibt es eine große Wiese für die dringenden Bedürfnisse von Willi und Co und einen Litauischen LKW-Fahrer, der sich redlich abmüht, nur mit Hilfe zweier einfacher Spanngurte einen maroden PKW auf seinen ebenfalls nicht mehr taufrischen
Autotransporter zu hieven. In einem anderen PKW kommen wir, vorerst nur optisch, in Kontakt mit der Haute Cuisine, der hohen Schule der Kochkunst der Franzosen. Das Frühstück der zwei Herren in dem Auto besteht nämlich aus jeweils einem riesigen Baguette – gefüllt mit Pommes Frites! Wir sinnen derweil über die sprachlichen Feinheiten dieser Küche und finden so heraus, dass diese Sprache schon einige kulinarische Möglichkeiten bietet, wird doch hier aus einer simplen Portion „Pommes Schranke“ des Ruhrgebietes, also Fritten mit Mayonnaise und Ketchup, eine viel anspruchsvollere Portion „Frites al la Barriere“.
Unser Tagesziel, die Hafenstadt Le Treport, ist der nordöstlichste Küstenpunkt der Normandie. Hier beginnt eine imposante Steilküste aus teilweise fast 100m aus dem Meer aufragenden Kreidefelsen, die Cote d’ Albatre. Die Suche nach dem Wohnmobilstellplatz bringt uns erst einmal direkt in den angrenzenden Nachbarort Mers-les-Bains mit einer Uferpromenade mit beeindruckendem Ausblick auf diese Klippen.
Bei einem Blick in die schmalen Seitenstrassen der Promenade sieht man sehr schöne alte Häuser mit bunten hölzernen Balkonen. Auf der Strasse besteht in diesem Städtchen leider ein totales Halteverbot für Fahrzeuge über 2,2m Höhe, so dass Wohnmobilfahrer hier kaum die Gelegenheit haben, das Fahrzeug legal zu verlassen, zumal es auch keine weiteren Parkplätze in Strandnähe gibt. Ich entschließe mich daher zu einem kurzen Stopp mit Pannenblinker, um wenigstens einige Fotos zu machen.
Zurück in Le Treport finden wir den Wohnmobilhafen auf einem Gelände hinter den alten Hafen. Es handelt sich um einen großen asphaltierten Parkplatz mit Ticketautomat und Ver-/Entsorgungsstation am Eingang. Es sind noch viele Plätze frei, so dass wir beschließen, erst einmal in den Ort zu fahren. Hier in Le Treport finden wir dann auch im westlichen Teil der Esplanade Luis Arragon einen Parkplatz.
Die Häuser in diesem Teil der Stadt sind, im Gegensatz zu dem Rest der Hafenstadt, moderne Apartementblöcke. Es ist sonnig, doch der Wind weht in einer Stärke, die einem fast die Autotür aus der Hand reißt. Der Strand an der Steilküste besteht fast ausschließlich aus sehr grobem glatten Kies, auf dem uns und erst recht den Hunden das Laufen keine reine Freude ist. Dafür dürfen Hunde aber angeleint sowohl auf die Promenade als auch an den Strand.
Überall findet man hier Spender mit Plastiktüten zur Entsorgung der Hinterlassenschaften der Hunde. Nur die Möwen haben freien Abwurf und anscheinend auch ausreichend Nahrung. In keinem anderen Ort unserer Tour haben wir mehr Autos gesehen, die fast komplett den Farbton „Gullshit-White“ tragen.
Die Parkplätze am Wasser sind also nichts für Leute, die Angst um ihren Lack haben. (am Stellplatz gibt es dieses Problem kaum!) Vorbei an der Rückseite des Spielkasinos von Le Treport, einem großzügig gelegenen Flachbau in zentraler Lage, führt der Weg zur Hafeneinfahrt. Hier steht ein kleiner Leuchtturm auf der Mole der sowohl als
Fotomotiv als auch vielen Leuten offensichtlich als Pinkelrinne dient, denn der Geruch im Windschatten dieses Gebäudes ist nicht der von Hafenwasser.
Entlang der Hafeneinfahrt führt ein Holzsteg zurück in den Ort. Von hier hat man einen freien Blick auf die Kirche St. Jacques, deren Renaissanceportal seit dem 16. Jahrhundert hier von der Klippe am nordwestlichen Ortsrand auf den Hafen blickt. Auf dem Weg durch die schönen kleinen Straßen des alten Stadtbereichs am Hafen verschafft uns unser Rudel auch spontane Kontakte zur Bevölkerung. Die Besitzerin eines Lokals kommt hat uns durch die großen Fenster zur Straße entdeckt und kommt extra auf die Straße, um unsere Chiennes blancs zu streicheln. Die auftretenden Sprachprobleme löst Sie mit Hilfe ihrer kleinen Tochter, die mit Ihren Englischkenntnissen die Unterhaltung in Gang hältt. Wir bringen die Hunde nach diesem Spaziergang zurück zum Wagen, wo Peter die „Wache“ übernimmt, und
ich gehe mit Heike noch einmal zurück zum Hafen, um für das Abendessen zu sorgen.
In Sichtweite des Kasinos steht die Halle des Fischmarktes. In dem
kühlen, schattigen Gebäude findet sich hier bei sechs Händlern ein Angebot, dass schon aufgrund seiner Präsentation einen Besuch wert ist. Krabben, Muscheln, Langusten und alle Sorten Fisch, am Stück und filettiert, machen eine Entscheidung zum Kauf schwer. Die Preise sind nicht übertrieben und die Ware ist sehr frisch. Wir entscheiden und für ein gutes Stück Lachs, frisch aus dem Fisch geschnitten. Das Kilo kostet knapp 13,-€.
Danach fahren wir wieder zurück zum Stellplatz und stellen den Wagen für die Nacht ab.
In Deutschland regnet es nach unseren Informationen gerade Bindfäden, während wir es uns im Windschatten des Autos in der Sonne des frühen Abends gemütlich machen. Der Stellplatz ist auch für Hundehalter ideal, da sich direkt hinter dem Zaun der Parkplätze mit Zugang neben der Einfahrt, ein etwa 1000m langer und wohl kaum genutzter Trimmpfad befindet, auf dem die Hunde auch abgeleint laufen können.
Solange hier jeder seinen Hundekot aufsammelt und am Platzeingang entsorgt, wird sich daran wohl auch nichts ändern. Zum Abendessen verarbeiten wir den Lachs zu einem Ragout in Estragon-Sahne Sauce auf italienischen Farfalle (mitgebracht vom Lidl-Markt in Deutschland, aber hier in Frankreich gibt es ebenfalls in fast jedem Ort mindestens einen Lidl-Markt, mit dem Unterschied, dass das Weinregal hier einige Meter länger ist).
Während der Nacht regnet es dann auch bei uns, doch um 8 Uhr morgens am nächsten Tag versprechen die schnell abziehenden Wolken wieder einen schönen Tag. Pünktlich erscheint zu diesem Zeitpunkt mit lautem Hupen ein Bäckerwagen mit ofenfrischen
Baguettes und Croissants. Die Dame am Verkaufswagen ist ein richtiges Original. Die Gespräche, die sie mit den Franzosen in der Reihe ihrer Kunden führt lösen jedenfalls immer wieder lautes Lachen bei den Wartenden aus. Wir Nicht-Franzosen - Hölländer, Engländer und auch einige Deutsche - lachen aufgrund der allgemeinen Situation mit, vielleicht auch gerade über einen Witz über uns Ausländer?? Damit haben wir uns wieder einen Schritt dem berühmten „laissez fair“ der Franzosen genähert und die Abfahrt verzögert sich noch um ein ausgiebiges Frühstück und eine neue Runde über den Trimmpfad.
Der Tag soll uns von Le Treport aus entlang der Falaises der Cote d’ Albatre- zu übersetzen etwa mit Klippen der Alabasterküste- bis nach Etretat führen, wo auch diese Küstenform an der Mündung der Seine endet.
Die Departement-Strasse D-925 führt und dicht entlang der Küste in das etwa 30 Km entfernte Dieppe. Diese Stadt mit ihren heute etwa 36.000 Einwohnern wurde im Krieg sehr stark in Mitleidenschaft gezogen und danach zu einem großen Teil wieder neu aufgebaut. Auffallend ist, dass hier die ersten Häuserzeilen – nicht sehr schön anzuschauende rechteckige Appartementblöcke, die größtenteils nur während der Ferienzeit bewohnt sind – etwa 200m von der Strandpromenade entfernt stehen. Dazwischen erstrecken sich, entlang des Boulevard de Verdun, große Wiesenflächen, eingerahmt von Parkplätzen. Auf diesen Wiesen findet alljährlich im August ein über die
Grenzen Europas beachtetes Drachenfest statt. Auch hier verbieten Schilder wieder das Parken für Fahrzeuge über 2,2m Höhe, doch die Ausschilderung ist nicht ganz deutlich bestimmten Flächen zuzuordnen und zudem stehen vereinzelt schon Kastenwagen dort, die sicherlich zu den bunten Ständen auf der Promenade gehören. Wir stellen unser Fahrzeug so auf, dass wir es auch noch aus großer Entfernung sehen können, da wir einen ersten „Erkundungsgang“ ohne unsere Hunde unternehmen wollen.
Oberhalb des Strandes liegt die im 14.Jh. begonnene und erst im 17.Jh. fertiggestellte, als Schutzfestung gegen die Engländer errichtete, markante Burganlage des Chateau de Dieppe auf einem Felsen vor uns in der Sonne. Eine so lange Bauzeit lässt auf eine gewisse Hartnäckigkeit der Engländer bei ihren Eroberungsversuchen schließen. Im Südosten der Stadt, oberhalb des Hafens, steht die Kirche St. Jacques, ein markanter rotbrauner Steinbau. Bei der Namensgebung für Ihre Kirchen haben die früheren Bewohner der Küste nicht unbedingt viel Phantasie bewiesen, oder aber der Heilige
Hans hatte nach ihrer Meinung einen wirklich heißen Draht zu seinem Chef. Dieppe ist ein wichtiger Fährhafen für Verbindungen nach England und auch der Ort, der wegen seiner strategischen Lage bereits 1942 eine „kleine Invasion“ von der anderen Seite des Ärmelkanals erlebte. Dieser Versuch führte jedoch zu hohen Verlusten der englischen und kanadischen Truppen und endete in einem Desaster. Von all dem zeugen heute nur noch einige Gedenktafeln an der Mauer der Strandpromenade, was nicht heißt, das es hier heutzutage keine Desaster mehr gibt.
Die Souvenir- und Imbissbuden bilden mit ihrem hellblauen Anstrich hier am weiten, hellgrau leuchtenden Kiesstrand einen reizvollen Kontrast und locken auch uns unwiderstehlich an. Zum Einen müssen wir hier einige Ansichtskarten kaufen, um unseren Freunden in Deutschland von dem herrlichen Wetter zu berichten,
während zu Hause der Dauerregen die Gemüter aufweicht, zum Anderen wäre es auch an der Zeit für eine Portion Pommes.
Die Frittenbude verspricht Frites a l’Americane und Peter spendiert eine Runde davon.
Das Ergebnis ist ein Schälchen Kartoffelstäbchen, an deren Enden Fetttröpfchen lustig blinkend die französische Sonne einfangen. Ich bin mir sofort bewusst, dass diese Portion sich sicherlich über den ganzen Tag bemerkbar machen wird. Wieso wird immer nur über die englische Küche gelästert??
Von diesem lukullischen „Ereignis“ erholen wir uns bei der Fortsetzung unseres Spazierganges. Am westlichen Teil des Strandes finden wir direkt an der Promenade das Seewasser-Freibad „Piscine en Eau de Mer“- klar, ein Warmwasserbecken, aber wer denkt bei diesem Namen schon verfänglich?! Der Strand selbst lädt aber ebenfalls zum Verweilen ein, denn er ist sehr sauber. Wenn die Sonne allerdings die runden Kiesel ordentlich aufheizt sollte man schon gutes Schuhwerk mitbringen.
Wir begeben uns zurück zum Wohnmobil und setzen die Fahrt fort.
Beim Verlassen der Stadt begegne ich, wie auch schon in Le Treport, erneut einem Umstand, der das Reisen im Wohnmobil hier geringfügig erschwert. Die Orte hier an der Cote d’ Albatre liegen ja meist an Buchten oder Flussmündungen, also tiefer als die restliche Landschaft entlang der Küste. Somit bedeutet jede Ortsdurchfahrt vorher erst mal einen Abstieg zur Stadt und einen folgenden Aufstieg, wenn die Fahrt fortgesetzt wird. Hier liegt nun der Knackpunkt, denn die Ortschaften wurden erbaut, bevor das Wohnmobil in seinen heutigen Dimensionen erfunden wurde. Zudem parken die Einheimischen auf mindestens einer Seite der engen Ortsausgangsstraßen. die ja
auch noch steil bergan führen und nicht immer Einbahnstraßen sind. Wer hier mit einem unbekannten Mietfahrzeug nach kurzer Grundeinweisung die ersten Reiseerfahrungen sammeln möchte, bekommt sicher schnell graue Haare! In unserem speziellen Fall
kommt noch hinzu, dass gerade an der Stelle, an der unser Auto endlich etwas Schwung am Berg aufgebaut hat, immer eine Ampelkreuzung kommt – und immer hat der Querverkehr grün!
Entland der D79 fahren wir vorbei an Hautot ,Varangeville und Ste. Marguerite (alle Orte weisen unnötigerweise mit dem Zusatz “ sur Mer“ auf ihre Lage hin) nach St. Valery en Caux. Der Reiseführer beschreibt hier bereits einen Stellplatz für Wohnmobile, doch wir beschließen, unsere Fahrt bis nach Etretat fortzusetzen. Ein sehr malerischer Ort ist der Fischerhafen Fecamp mit seiner Lage am Ende eines Tales im Pays de Caux gelegen.
Leider finden wir hier absolut keine Parkmöglichkeit, aber das Getümmel eines großen Hafenfestes, welches gerade stattfindet, wäre auch nicht der ideale Ort zu einem Spaziergang mit 6 Hunden. Uns entgeht damit sicherlich die einmalige Gelegenheit, in diesem wichtigsten Fischereihafen der Normandie frischen Fisch einzukaufen und wir vergeben auch die Chance, den Weltbekannten Kräuterlikör des hiesigen Benediktinerklosters zu probieren. Es folgt wieder eine der oben beschriebenen Ortsausfahrten, diesmal wirklich ausgesprochen eng. Ich muss erst einige Fußgänger vorbei lassen, damit diese nicht mit unseren Rückspiegeln in Kontakt kommen.
Oberhalb der Stadt hat man von der Strasse aus einen herrlichen Ausblick auf das Wasser.
Direkt an den Klippen sehen wir von der Strasse aus einen PKW in den Feldern und beschließen spontan eine Rast. Es führt ein geschotterter Weg durch die Felder und das Auto am Ende kommt aus – Dortmund. Kommentar des Fahrers:“ Wie weit muss ich denn noch fahren?“
Wir lassen die Hunde angeleint etwas laufen und Peter und ich versuchen dann, auf einem Trampelpfad näher an die Klippen zu kommen. An einem Stacheldrahtzaun am Ende eines Feldes endet der Weg, doch wir werden mit einem beeindruckenden Blich auf die Bucht von Fecamp belohnt. Das von den Kreidefelsen reflektierte Sonnenlicht gibt Fecamp von hier oben betrachtet ein fast mediterranes Flair. Oberhalb der Stadt steht auf der weit ins Wasser herausragenden östlichen Klippe das Wahrzeichen der Stadt, die einstige Abteikirche Ste. Trinite. Dieser in seinen Anfängen frühgotische Kirchenbau stammt aus einer Zeit, in der Fecamp noch Regierungssitz normannischer Herzöge war und die in der Kirche aufbewahrten Reliquien von Heiligen verhalfen dem Ort auch zu seinem Beinamen „Tor des Himmels“. Weiter geht es in Richtung Etretat. Wir fahren hinab in den kleinen Ort Yport, wo ebenfalls ein Stellplatz sein soll. Yport ist ein in die Klippen gebautes Fischerdorf mit steilen Straßen und einem immer wieder nur für Momente freiwerdenden Blick auf das Meer. Den Stellplatz finden wir auch, jedoch als Austragungsort eines Flohmarktes mit lauter Musik und zugestellt mit Marktständen.
Am frühen Nachmittag erreichen wir dann den Zielpunkt unserer heutigen Etappe Gleich am Ortseingang finden wir einen großen, gebührenfreien Parkplatz für PKW, Busse und Wohnmobile. Es ist recht voll hier, doch wir können den Wagen noch in eine Lücke am oberen Rand der Parkfläche quetschen. Von hier aus sind es nur etwa 300m zur Stadtmitte, die uns mit kleinen, malerischen Häusern und schmalen Straßen voller Menschen begrüßt. Die Bürgersteige sind allerdings zum führen von sechs Hunden etwas schmal. Je weiter wir uns dem Strand nähern, desto mehr werden die Esslokale von Souvenirläden abgelöst. Wir ergänzen unseren Vorrat an Ansichtskarten. Das Sortiment dieser Geschäfte weist bereits eindeutig auf die Nähe der Invasionsküste hin, denn immer öfter sehen wir Karten und andere Artikel mit der Beschriftung Plages du Debarquement – Landungsküste. Auf
dem Weg zum Strand fällt besonders die hölzerne Markthalle auf, ein
langgestrecktes Gebäude auf einem kleinen freien Platz, gekrönt von einem kleinen Turm. Im Inneren dieses schönen Bauwerkes setzt sich allerdings das Sortiment der Kitschgeschäfte nahtlos fort.. Zur Strandpromenade führen einige Stufen empor, dann öffnet sich dem Besucher die Bucht von Etretat mit einem überwältigenden Anblick.
Der Ausblick aufs Wasser wird von den Wahrzeichen der Normandie begrenzt. Rechts sehen wir die Falaise d’Amont grell weiß im Sonnenlicht. Zur Linken das Felsentor der Falaise d’Aval mit der dahinter stehenden Felsnadel Aguille. Der Strand aus hellem Kies verläuft in einem weiten Bogen zwischen diesen Monumenten. Wir begeben uns auf der Promenade entlang nach westen.
Diese beeindruckenden Klippenformationen fordern aus den verschiedensten Perspektiven immer wieder zum Fotografieren heraus und das Spiel des Lichtes durch die vorbeiziehenden Wolken tun das Ihre dazu. Es ist hier, trotz der Fülle unten im Ort, nicht einmal wirklich überlaufen. Willi und Prinz würdigen diesen Ort auf Ihre Art und heben immer wieder mal das Bein. Vom „linken“ Ende des Strandes
aus betrachtet, ist die Bucht gar nicht so groß. Alles ist überschaubar. Auf der Falaise d’Amont steht eine kleine Kapelle, die man über einen von hier unten aus deutlich zu sehenden Pfad vom Ort aus erreichen kann. Den Aufstieg zu diesem Aussichtspunkt verschieben wir jedoch geflissentlich auf morgen. Zurück nehmen wir einen anderen Weg durch den alten Ortskern und überqueren noch einen kleinen
Marktplatz, an dessen Ende wiederum ein Souvenirladen mit Postkarten lockt.
Da unser derzeitiger Parkplatz keine Übernachtungen gestattet, fragen wir in dem Touristenbüro an der Rue de Guy de Maupassant nach einem Stellplatz und werden freundlich auf den hiesigen Camping Municipal verwiesen. Mit gemischten Gefühlen fahren wir die etwa 1000m vom Parkplatz zum Campingplatz. Unsere Reiseerfahrungen
mit 3 Personen und 6 Hunden versprechen einen Teuren Stellplatz, andererseits möchten wir morgen noch einmal in den Ort und im nicht sehr fernen Yport sind bestimmt noch immer die lauten Flöhe auf dem Stellplatz. Umso überraschter sind wir, als die nette Dame im Anmeldebüro des Campingplatzes nur 15,80 € von uns verlangt, Strom und Duschenbenutzung sowie Frischwasserversorgung bereits eingeschlossen. Über die Hunde verlieren wir kein Wort, weil uns auch niemand danach fragt. Unser geräumiger Stellplatz liegt im hinteren linken Teil des Geländes, geschützt von einer Mauer auf einer Seite, hinter der sich ein Wald auf einer Anhöhe erstreckt und
beschattet von einem großen Baum. Beim Einparken werden wir von den Besatzungen dreier englischer Wohnmobile gegenüber beobachtet.
Offensichtlich ist ihnen unser Schottlandfahne zum deutschen Autokennzeichen aufgefallen. Wir schließen das Versorgungskabel an und stellen die Stühle in die Spätnachmittagssonne, doch unsere Nachbarn trauen sich nicht zu einer Kontaktaufnahme. Da ohnehin die Gassirunde mit den Hunden ansteht, lege ich den Kilt an, um für etwas Gesprächsstoff zu sorgen was auch seine Wirkung nicht verfehlt. Immerhin habe ich nun schon mehr als 2 Wochen meines Urlaubs zu Hause ohne Fremdsprache verbracht und bin auf Entzug. Als wir dann endlich mit den Hunden losgehen können, stellt Heike trocken fest, dass mein Erholungsurlaub nun wohl endlich angefangen hat. Am Eingang der Platzanlage treffen wir die Dame vom Empfang wieder. Sie nimmt unsere Hunde zwar zur Kenntnis, stellt aber keine weiteren Fragen. Es sind jedoch auch auf anderen Plätzen Hunde zu sehen oder zu hören, so dass wir davon ausgehen können, dass Haustiere hier geduldet sind.
Gegenüber dem Campingplatz erstreckt sich eine Wohnsiedlung mit etlichen kleineren Häusern. Hier können die Hunde zwar nur an der Leine laufen, doch die Wege sind ausreichend lang. Den Weg in den Wald hinter unserem Stellplatz suchen wir erst mal vergebens. Wieder am Platz nehmen wir das Abendessen im Freien ein. Es gibt Baguette vom Morgen aus Le Treport, Käse und Apfelcidre – alles Landestypische Leckereien. Als es dann dunkel und auch kühler wird, ist es Zeit für die Nachtruhe.
Der nächste Tag unserer Reise beginnt früh mit einem Test der Duschen. Die sanitären Anlagen des Campingplatzes sind sehr sauber und geräumig und die Warmwasserzufuhr ist nicht limitiert. Nach dem Frühstück führen wir die Hunde dann doch noch in den Wald. Rechts vom Eingang des Platzes, etwa 200 m entlang der Straße in Richtung Etretat, zweigt ein unscheinbarer Weg ab. Vorbei an einem
großen Grundstück kommt man dann direkt auf einen Waldweg mit Blick auf den unterhalb liegenden Campingplatz.
Hier können die Hunde auch abgeleint laufen, wobei etwas Aufmerksamkeit geboten ist, denn gestern haben wir vom Stellplatz aus zwei Reiter beobachtet, die in ziemlich wildem Galopp hier oben vorbeigeritten sind. Nachdem die Hunde richtig „erleichtert“ sind, füllen wir noch unsere Frischwasservorräte auf. Der Wasserkran
befindet sich seitlich an einem kleinen gemauerten Häuschen und es ist von Vorteil, eine Wasserpumpenzange im Gepäck zu haben, um den Gardena-Anschluss des Bordeigenen Schlauches installieren zu können. Dann fahren wir wieder zu dem Busparkplatz am Ortseingang, wo eine kostenlose Brauchwasserentsorgung über einen Bodengulli vor dem dortigen Toilettengebäude möglich ist.
Peter und ich brechen auf, um den Ort von der Klippe aus zu fotografieren, Heike bleibt derweil mit den Hunden am Fahrzeug. Wir werden die Weisheit ihres Entschlusses noch in den Waden zu spüren bekommen. Im Ort ist an diesem sonnigen Sonntagmorgen
weniger Betrieb als gestern. In Richtung der Falaise d’Amont findet sich hinter den Häusern ein etwas versteckter Zugang zum Aufstieg. die ersten Meter erinnern an ein gemauertes Treppenhaus, doch dann bestehen die Stufen nur noch aus verschieden hohen Holzbohlen als Treppenkante, hinter denen eine Stufe aus Beton
gegossen wurde. In Kurven zieht sich der Weg empor und erlaubt schon von hier einen herrlichen Ausblick auf die Falaise d’Aval mit der Aguille. Menschen der verschiedensten Nationen und Hautfarben kommen verschwitzt und keuchend und ohne große Gespräche von oben herab und geben uns damit eine Vorhnung zu dem
Stück des Weges, das noch vor uns liegt. Zwei Herren im gesetzteren Alter, der eine durch Rauchen, der andere durch Gewicht gehandicapt, keuchen gemeinsam die Stufen zu Falaise empor. Ich würde uns gerade jetzt gern einmal selbst begegnen, denn wir würden uns bestimmt genug Anlass für ein paar blöde Kommentare sein. Ich
nehme mir vor, die Stufen nachher zu zählen. Oben angekommen, belohnt uns die aber Aussicht für die Mühen. Die Wolken verziehen sich und die Sonne beleuchtet dieses Naturschauspiel so fotogen, dass ich froh bin, einen großen Speicher in der Kamera zu haben. Hier oben betrachten wir auch die kleine Kapelle, deren Besucher früher
bestimmt nicht sehr zahlreich waren.
Heute führt hier herauf allerdings eine gut ausgebaute Straße, wie wir, immer noch etwas außer Atem, zur Kenntnis nehmen dürfen. Auf der gegenüberliegenden Seite erkennt man oben auf der Klippe deutlich einen gepflegten Golfplatz.
Ob wohl auf dem dortigen Aussichtspunkt am Rand der Steilklippe
schon mal jemand, von einem Golfball getroffen, über das Holzgeländer gekippt ist?
Ich setze beim Abstieg meinen Vorsatz in die Tat um und weiß danach, dass wir 343 Stufen von der Straße des Ortes bis dort oben geschafft haben. Heike hat derweil im Auto sicherlich auch interessante Beobachtungen gemacht, bot der Parkplatz doch einen kaum verdeckten Einblick auf die Kehrseiten der Herren im halboffenen Männerpissoir.
Wir verlassen Etretat nach diesen vielfältigen Eindrücken und suchen einen möglichst direkten Weg zur Seine-Mündung und dem dort auf uns wartenden Pont de Normandie.
Da wir Le Havre weiträumig umfahren wollen, halten wir uns in Richtung Montvilliers und treffen erst unmittelbar bei dem ersten Brückenbauwerk auf die Hinweisschilder zur Mautstation. Die Vorbrücke ist noch mautfrei und schwingt sich in einem beeindruckenden Bogen vor uns aus dem flachen Land. Beim Näherkommen könnte man glauben, von dieser Brücke würde unser Wohnmobil bei Seitenwind herabgefegt, denn es sieht wirklich aus, als fahre man auf einer allseitig freien Fahrbahn über die Brücke. Gleich dahinter taucht dann die Pont de Normandie aus dem Dunst auf.
Architektonisch ein Meisterstück, stellt diese 1995 eingeweihte Brücke das derzeit größte Bauwerk seiner Art dar. Die Bezeichnung „Die Harfe“ bringt den Anblick auf den Punkt.
Noch vor der Mautstation gibt es einen Parkplatz, von dem aus man die Brücke ausgiebig bewundern und fotografieren kann. Die Steigung der Auffahrt gipfelt genau im Mittelpunkt des Bauwerkes. Eine horizontal verlaufende Fahrbahnfläche gibt es nicht, denn vom Höchsten Punkt schwingt sich die Fahrbahn ebenso kühn wieder hinab. Mir erscheinen unsere 72 deutschen Kaltblut-Diesel-Pferdestärken recht mager für solch eine Überquerung. Mit leichtem Kribbeln in der Magengegend legen wir los und
schaffen die Brücke wider Erwarten sogar, ohne dass jemand schieben muss.
Die Aussicht von oben auf die Seine ist toll, doch es gibt hier leider keinen Haltestreifen, von dem aus wir Fotos machen könnten. Gleich hinter der Brücke folgt dann schon die Ausschilderung nach Honfleur, dem kleinen, alten Fischerort am Beginn der Cote Fleurie und unserem heutigen Etappenziel.
Aus Richtung Brücke kommend, begrüßen uns schon vor dem Ortseingang wieder die unvermeidbaren Kreisverkehre. Die erste Ausfahrt im zweiten Kreis führt direkt zum Wohnmobilstellplatz hinter einem alten Hafenbecken. Es handelt sich hier um eine große geschotterte Parkfläche, die durch einen breiten Wiesenstreifen mit hölzernen Sitz-/Tischgruppen von den PKW-Großparkplätzen am Ortsrand getrennt ist. Die Parkgebühr wird an einem Parkscheinautomaten entrichtet und beträgt hier 7,- €.
Diese Gemeinde scheint sich eines regen Besucherinteresses zu erfreuen, wie wir der Menge der vorhandenen Plätze entnehmen. In einem Zipfel am äußersten linken Stellplatzrand parken wir unser Auto.
Hier stehen wir direkt an der Wiese und können auch das Sonnensegel noch ausfahren, um den Hunden und uns etwas Schatten zu verschaffen.
Nachdem die Gitterausläufe aufgebaut und die Stühle aufgestellt sind, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass hinter unserem Auto ein Trampelpfad zur Stadt vorbeiläuft. Dieser Weg hat zwar nicht viele Benutzer, doch fast jeder der vorbeikommt führt einen Hund mit sich, so dass sich unser Platz auf diesem Platz als doch nicht so vorteilhaft erweist. Später wird sich noch zeigen, dass auch andere Gründe gegen diese Ecke der Stellfläche sprechen.
Während Heike am Wagen, windgeschützt auch durch einen kleinen Erdwall, der Wiese und Schotterfläche trennt, die Beine hochlegt, mache ich mich mit Peter auf den Weg in die nur etwa 400m entfernte Stadt. Wir überqueren die interessant konstruierte Drehbrücke, über die wir eben noch gefahren sind und gelangen, vorbei an dem
Liegeplatz zweier großer Katamaran-Segelyachten, zum Fischereihafenbecken. Die Fischerboote hier in Frankreich sehen völlig anders aus, als wir das von der Deutschen Küste kennen. Mit kurzen, stämmigen und hochbordigen Rümpfen und Aufbauten die sehr weit hinten aufgesetzt sind, sehen sie sehr futuristisch aus, fast wie eine Kreuzung aus Offshore-Yacht und Badewanne. Die Fanggebiete dieser Flotte scheinen in unruhigen Gewässern zu liegen, wenn man diese Konstruktionen betrachtet. An der Einfahrt zum Alten Hafenbecken, dem Vieux Bassin, hängen Fischernetze über dem Geländer, welches den Gehweg von den Kutter-Liegeplätzen trennt. Auf der anderen Straßenseite stellt sich dem Blick in das Hafenbecken hingegen ein uraltes großes Kettenkarussell in den Weg.
Die Einfahrt in das Vieux Bassin wird von dem Lieutennant dominiert, einer kleinen Hafenfestung aus dem 16.Jahrhundert, in der früher der königliche Gouverneur residierte und wo heute die Hafenverwaltung untergebracht ist. In dem kleinen Hafen, der früher neben seiner strategischen und logistischen Bedeutung für den Bereich der Seine-Mündung auch Ausgangspunkt großer Forschungs- und Entdeckungsreisen war, liegen heute nur noch Sportboote und Segelyachten. 1608 begann hier die Reise des Samuel de Champlain, der später mit Quebec eine erste französische Kolonie in Kanada gründete und somit die ironischerweise elementaren Grundlagen schuf, damit 334 Jahre später auch kanadische Truppen an der Befreiung Frankreichs von den deutschen Besatzern teilhaben konnten.
Auf der Hafenmole spielt sich immer noch das gleiche rege Treiben ab, das Honfleur sicherlich auch schon vor einigen hundert Jahren ihr Flair verlieh. Wo früher sicherlich Berge von Transportgütern aller Art auf die Verladung warteten, stehen heute die Tische
und Bänke der Fisch- und Spezialitätenlokale. Wir sind offensichtlich gerade zur besten Essenszeit der Franzosen hier erschienen, denn es gibt kaum einen freien Platz an den Tischen und Kellner wieseln geschäftig unter den Sonnenschirmen umher und servieren
riesige Tabletts mit Fisch, tiefroten Krabben und glänzend schwarzen Muscheln, die jeweils auf einer kleinen zweiten Etage der Tische abgestellt werden. Mit den alten Häusern und den Segelbooten im Hintergrund hätte ich dieses Szenario eher in Südfrankreich erwartet und der Anblick der Köstlichkeiten lenkt die Gedanken für die Planung des Abendessens zwangsläufig in bestimmte Richtungen. Ein Blick auf die Preistafeln, die reich verziert neben den Tischen stehen, belehrt uns dann allerdings schnell eines Besseren. Wir belassen es daher dabei, uns hier nur satt zu sehen.
Nach der Runde um das Hafenbecken führt uns der Rückweg vorbei an einem kleinen Platz hinter der zweiten Reihe altertümlicher Häuser. Auch hier ist der Platz umstellt mit den Tischen und Stühlen der in den alten Häusern residierenden Lokale. Für das besondere Ambiente dieses Platzes zeichnet hier ein junger Mann verantwortlich, der auf seinem Akkordeon die Melodien französischer Chansons spielt. Eindrücke, die einzufangen ein einfaches Foto leider nicht mehr ausreicht. Zurück am Auto verpacken wir die Auslaufgitter und ziehen das Sonnensegel ein, denn am Horizont ziehen etwas
dunklere Wolken auf. Dann wechsele ich meine Begleitung – Peter passt nun auf den Wagen und die Hunde auf und Heike möchte mit mir als nun „ortskundigem“ Führer in die Stadt. Auch sie ist beeindruckt von der Ausstrahlung des Ortes, obwohl nun bereits
erheblich weniger Betrieb an den Tischen der Lokale herrscht. Da unsere Runde entgegengesetzt zur ersten verläuft, kommen wir gegen Ende an einem Imbisswagen vorbei, von dem wir unser heutiges Abendessen mitnehmen wollen. In der Hoffnung, mit meiner Bestellung die zu Beginn der Reise gesehenen „Fritten-Baguettes“ zu erwischen,
ordere ich auf Verdacht Jambon-Frites und habe Glück.
Regional scheint es aber bei diesem Gericht Unterschiede zu geben, denn die Pommes liegen zwar in derselben Alufolienverpackung, aber neben dem Baguette. Unser Wörterbuch erklärt Jambon mit
Schinken, so dass ich beim nächsten Mal Frommage-Frites bestellen werde, um Käse zu bekommen. Egal- satt macht das Menü allemal und von dem Cidre-Brut von Lidl haben wir ja auch noch an Bord.
Während des Abendessens beginnt es heftig zu regnen und nach kurzer Zeit entpuppt sich speziell unser Parkplatz als riesige Pfütze vor der Tür. Wir müssen einige Zeit warten, bis es aufhört und wir mit den Hunden laufen können. Die reichen wir uns dann gegenseitig aus dem Auto weiter bis zur Wiese, wo das Wasser schnell versickert ist. (mit kommt der Ausruf in den Sinn: „Bildet eine Hundekette!“) Da alle PKW Parkplätze leer sind, ist zum Gassigehen ausreichend Platz vorhanden. Danach ziehen wir die Parkstützen unserer Wohnung ein und setzen den Wagen ein ganzes Stück zur anderen Seite, auf trockenes Terrain – ein weiser Entschluss, da es fast die ganze Nacht hindurch regnet und unser vorheriger Stellplatz sich in einen Bootsliegeplatz verwandelt.
Am Montagmorgen hängen immer noch schwere Wolken über der Normandie, aber es hat aufgehört zu regnen. Im Wagen gegenüber wohnt ein gallischer Nachkomme von Obelix, der in landestypischer Tracht um seinen Camper wieselt. Nach dem Frühstück Gehen wir, diesmal mit den Hunden, in den Ort und besuchen den Oberen
Teil der Altstadt, das romantische Viertel Ste. Catherine, den wir gestern bewusst noch ausgelassen hatten.
Hier, oberhalb des Hafens, steht am Rond-Point de la Tour die hölzerne Kirche Ste. Catherine aus dem 15. Jahrhundert. Das Bauwerk wurde einst, nach englischer Besatzungszeit, als Provisorium von Schiffszimmerleuten als Hallenbau mit zwei parallel stehenden Längsschiffen erstellt. Nicht von Ungefähr sind die Dächer in einer auf den Kopf gestellten Spantbauweise ausgeführt wie Rümpfe richtiger Schiffe. Gegenüber steht separat der mit Kastanienholzschindeln verkleidete Kirchturm der dem gesamten Platz zu seinem Namen verhalf.
Dieses Bauwerk ist der reale Beweis für die These, dass ein funktionierendes Provisorium die dauerhafteste Lösung darstellt. Wir laufen die von hier aus ansteigenden schmalen Gassen entlang und kommen etwas ins Schwitzen, denn das Wetter wird wieder freundlicher und die Sonne zeigt sich, wobei unsere Kleidung eher auf unbeständiges Wetter ausgerichtet ist. Hier im Viertel Ste. Catherine findet man viele kleine Geschäfte für die alkoholischen Spezialitäten der Normandie, wobei der Preis allerdings auch der Lage der Geschäfte entspricht.
Gegen Mittag verlassen wir Honfleur wieder. Vorher kaufen wir jedoch noch in der Lidl-Filiale am Kreisverkehr ein und tanken einen Kreisverkehr weiter voll.
Die Fortsetzung unserer Reise führt uns entlang der Cote Fleurie über Villerville und Trouville.
Diese Städte wirken etwas morbide und eintönig auf den nur durchreisenden Gast, doch es sind durchaus Orte mit langen Traditionen als Seebäder, befinden wir uns hier doch sozusagen am Rand der Badewanne von Paris.
Nach 55 Km Fahrtweg und endlos vielen Kreisverkehren erreichen wir mit der Stadt Ouistreham an der Mündung des Caen Kanals und der L’Orne den östlichsten Punkt der Cote de Nacre mit den Plages du Debarquement, also den Küstenbereich, an dem am
6.6.1944 die Alliierte Invasion begann. Hier fallen sofort die vielen französischen, englischen und kanadischen Flaggen auf, mit denen fast alle Hauptstrassen garniert sind.
Die Nachwirkungen der kürzlich begangenen Feiern zum 60. Jahrestag der Invasion sind noch allerorten präsent. In einer Seitenstrasse steht ein 3,5to GMC Lastwagen der US Marine mit einem verwegen aussehenden Fahrer daneben – er scheint seit Längerem den Kontakt zu seiner Einheit verloren zu haben.
Kein Wunder, denn die Amis sind ja damals auch 70Km weiter im Nordwesten an Land gegangen. Wir fahren indes weiter nach Langrune sur Mer, einem Ort, der im östlichen Landeabschnitt der Engländer, dem Sword Beach liegt, jedoch in Peters Shell Atlas nicht einmal existiert, was mich zu der Annahme veranlasst, dass die englischen Truppen keine Shell Atlanten auf ihren Landungsbooten gehabthaben können. Wir legen einen kurzen Fotostopp ein. Es sieht eigentlich alles recht friedlich aus in dem Ort, doch wenn man einmal auf die andere Seite der weißen Geländer zum Strand schaut, starren immer noch die alten graugrünen Bunker hinaus auf das Wasser. Weiter nach Westen wechselt die Beflaggung der Orte. Nun hängt neben der Tricolore nicht mehr der Union Jack, sondern das Rote Ahornblatt Kanadas signalisiert die Verbundenheit der Einheimischen mit ihren Befreiern, die sich vor 60 Jahren hier an Juno Beach in den Sand gruben.
In Courseulles sur Mer weisen Tafeln auf das Juno Beach Memorial hin, einer Gedenkstätte zu den Ereignissen von damals. Deutsche Flaggen gibt es aber auch hier keine, so dass ich beschließe, die Besichtigung der Örtlichkeiten im Highland Dress mit Kilt zu bewältigen. Heike bleibt derweil im Auto („Macht Ihr Männer das mal ruhig, ich muss das nicht haben“). Auf den Wegen entlang des Geländes hört man fast ausschließlich englischsprachige Gesprächsfetzen.
Ein „Schotte“ wird hier lediglich zur Kenntnis genommen, denn die gibt es in kanadischen Militäreinheiten auch. Am Strand steht „Cosy’s Bunker“, ein Bunkerrest, der von einem Offizier mit diesem Spitznamen am 6.6.1944 erobert wurde. Die gesamte Gestaltung des Umfeldes um diesen maroden Betonklotz mit den detaillierten
Beschreibungen der heldenhaften Taten von Cosy’s Truppe ist ziemlich theatralisch geraten doch von den Insassen des Bunkers, die ja wohl damals auch irgendwie dabei gewesen sein müssen, erfährt man eher nichts.
Ich stelle mich ein wenig provokant am Bunker in Pose und höre hinter mir prompt in Deutsch die Bemerkung, dass „die“ die
Siegerpose auch nach 60 Jahren noch nicht ablegen können – wenn die Herren wüssten...!
Über Asnelles an der D 514 erreichen wir am Nachmittag das geplante Ziel unserer Reise, den kleinen Fischerort Arromanches les Bains.
Oberhalb des Städtchens befindet sich hier eine Gedenkstätte mit einem so genannten Cinema 360°, einem Kino also, in dem in einem Kuppelbau auf umlaufenden Leinwänden ständig dokumentarisches Filmmaterial zur Invasion gezeigt wird, sozusagen „mittendrin statt noch dabei“.
Der Parkplatz ist laut Reiseführer auch für Übernachtungen freigegeben. Wir verzichten aber einstweilen auf die versprochene traumhafte Aussicht und wollen stattdessen den Stellplatz im Ort suchen. In steilen Windungen führt die Straße geradewegs in die Stadtmitte. Stand bereits entlang unseres Weges seit Ouistreham vereinzelt diverses Kriegsgerät in Form kleiner blumen- und fahnengeschmückter Denkmale – hier haben die Alliierten damals auffällig vieles stehen lassen. Der Wohnmobilstellplatz liegt, verdeckt von einer Häuserreihe, am nordwestlichen Ortsausgang hinter einem Parkplatz für PKW und wird nach hinten von einem Spiel- und Bolzplatz mit dahinter liegenden Campingplatz in Hanglage und seitlich von einer Tennishalle begrenzt. Bei unserem Eintreffen wird gerade ganz hinten eine der nur kostenlosen Parkbuchten frei. Hier hat sich auch eine kleine Gruppe deutscher Reisemobilfahrer eingefunden, die mit ihren beiden Wagen vor der Halle stehen und sich zu einer schützenden Gruppe zusammengestellt haben, offensichtlich in dem Bewusstsein, eine Minderheit darzustellen.
Unser deutsches Kennzeichen erweckt offensichtlich Erwartungen auf „ethnische Verstärkung“ bei den Herrschaften, zumal wir direkt neben ihnen einparken. Ich bin froh, noch den Kilt zu tragen, denn nach ein paar freundlichen Begrüßungsworten in Scots „Hello, rare day the day?! – Hallo, schöner Tag heute, nicht wahr?“ wissen meine Landsleute nicht mehr so richtig, wo sie dran sind und verzichten folgerichtig auf weitere Konversation. Diese ergibt sich hingegen mit einem Herrn aus Wales – also auch keinem „richtigen“ Engländer – den wir schon in Etretat gesehen haben.
Wir laden unter den neugierigen Blicken der Anwesenden unser Hunderudel aus und marschieren los in Richtung des nur etwa 300m entfernten Ortskerns mit direkt davor liegendem Strand.
Die 60 Jahr-Feier der Invasion zeigt noch deutlich ihre Spuren, denn auf fast allen Schaufenstern im Ort hat ein Maler englische Soldaten in Weltkriegsuniform gemalt und die Worte „Thank you“ und „Liberators“– Befreier springen auch an allen Ecken ins Auge.
Arromanches spielte eine besondere Rolle im Rahmen der Kampfhandlungen des Juni 1944. Der Ort verfügte schon damals über vier schmale Straßen, die den Strand mit der Stadt verbanden. Zudem liegt Arromanches in einer weiten, geschützten Bucht und der Strand ist bei Ebbe fast 400m breit, bei Flut jedoch auch fast ganz überflutet.
Schon am Tage der Landung, die an dieser Stelle verhältnismäßig reibungslos lief, traf vor der Stadt, geschleppt von allem, was irgendwie schwamm und einen Haken zum ziehen von Lasten hatte, eine riesige künstliche Hafenanlage ein, mit deren Hilfe die Versorgung des gesamten Landeabschnittes sichergestellt werden sollte. Große quaderförmige, aus Beton gegossene Schwimmkörper wurden in Form eines riesigen Rechtecks vor der Bucht auf Grund gesetzt und bildeten eine Außenmole mit drei Einfahrten. Im Inneren wurde ein Hafenkai an langen Rohren befestigt, die in den Meeresboden gerammt wurden und dieser Anlage erlaubten, den Gezeitenhub mitzumachen. Hier legten die Versorgungsschiffe an und von hier führten vier Gliederbänder aus Stahlbrücken, die auf Schwimmkörpern auflagen, wie lange Tentakeln zu den vier Straßen des Ortes. Rund um die Uhr trafen hier Waffen, Munition, Versorgungsgüter und Truppen ein, die dann weiter an die ins Landesinnere vorrückende Front verteilt wurden.
Wenn man heute durch die kleine Fußgängerzone läuft, kann man sich kaum vorstellen, wie es damals hier ausgesehen haben muss. Einen Eindruck davon vermittelt vielleicht nur der Besuch im Inneren eines der „Militaria-Fachgeschäfte“ - nur von Andenkenläden zu sprechen würde diesen Geschäften nicht gerecht -, die neben Speiselokalen das Gros der Einnahmequellen von Arromanches les Bains ausmachen. Hier findet man Regale und Vitrinen voller eng geparkter Panzer, Haubitzen aller Kaliber und Jeeps sowie ganze Legionen von Soldatenfiguren in den unterschiedlichsten Ausrüstungen, in Reih und Glied angetreten zum Angriff auf die Geldbörsen der zahlreich hier einfallenden englischen und amerikanischen Touristen.
Deutsche Figuren sind dabei etwa ebenso zahlreich, wie draußen in der Wirklichkeit deutsche Urlauber. Bei dem ganzen post-weltkriegerischen Treiben wird mir bewusst, dass der Krieg zwar die meisten seiner Kinder frisst, doch die Enkel der Überlebenden auch ganz gut ernährt!
Durch eine der schmalen Zufahrten entfernen wir uns vom Trubel in der Ortsmitte uns gehen hinab zum Strand. Der tiefste Stand der Ebbe ist noch etwa 2 Stunden entfernt, doch die Breite der Sandfläche ist bereits beeindruckend. Die Geschehnisse des Jahres
1944 drängen sich auch hier wieder in den Vordergrund. Dicht am Wassersaum liegt einer der großen Schwimmkörper, angespült wie ein toter Wal und halb im Sand versunken. Weiter rechts erstreckt sich eine dicht gestaffelte Reihe der Pontons die einst die Stahlbrücken trugen hinaus in die anlaufenden Wellen. Die Horizontlinie vor der Bucht von Arromanches wird bestimmt von den Silhouetten der noch immer dort liegenden Schwimmkörper. Sie vermitteln einen Eindruck, als befände sich dort draußen noch immer die riesige Invasionsflotte. Unsere Hunde kümmern sich natürlich überhaupt nicht um das Damals und machen stattdessen das Beste aus dem Heute: kaum haben sie den festen, feuchten Sand unter den Füßen, wälzen sie sich auch schon ausgiebig.
Einem Japaner, der die Szene sehr interessiert beobachtet und dann auch fotografiert, erkläre ich, das sei hier kein ungewöhnlicher Anblick, denn so etwa alle 60 Jahre würden an diesem Strand Engländer herumrutschen. Er lacht nach einer kurzen Denkpause herzlich über die vermeintliche Selbstironie, mit der ein Schotte! die Situation betrachtet. Schon nach kurzer Zeit haben die Hunde mal wieder die Farbe und Struktur des Strandes angenommen. Willi hat heute eine besondere Begabung dazu. Am ganzen Körper hängt das Fell, verklebt mit Seesand, in dicken Troddeln herab. Er muss ungefähr 2 Kg Sandballast an Bord haben.
Je näher wir dem Wasser kommen, desto ausgelassener tobt die Meute. Prinz und Nessie liefern sich Fangspiele, dass das Wasser nur so spritzt.
So voll es in der Stadt eben noch war, so wenige Leute verlaufen sich nach hier unten. Wir nähern uns dem großen gestrandeten Ponton. Unter einer der Kanten, in einer noch verbliebenen Pfütze, entdeckt Percy einen Keks. Seine Versuche, dieses Kleinod französischer Strandkultur zu schnappen, nötigen Heike zu einem Spurt. Nicht auszudenken, wenn unser Veteran ins Wasser plumpst und unter den Ponton treibt. Wir wollen weitere Opfer an diesem Strandabschnitt vermeiden und fischen ihm den Keks heraus. Von der Stadt weht immer wieder Musik herüber. Der kleine freie Platz vor dem „Museum der Invasion“ wird permanent aus mehreren Lautsprechern
mit Musik berieselt wie bei uns ein Wal-Mart Center. Französische Chansons dudeln hier ebenso, wie Lale Anderssons „Lili Marlen“, jener Top-Hit aus Kriegstagen.
Im Osten der Stadt geht der Strand in eine Steile Abbruchküste über, an deren Fuß sich eine breite Geröllhalde aus hellgrauen runden Steinen erstreckt. Hier sind unsere Westies in einer Landschaft, in der ihre Vorfahren in Schottland früher jagen uns stöbern
mussten und es macht ihnen offensichtlich auch in dieser Generation noch Spaß, hier zu rennen.
Ein junger Mann Ende 20 kommt auf uns zu und beobachtet unser Treiben interessiert. Er sieht in seinem Tropenhemd mit Cargohose und Land-Rover Schirmmütze aus wie Hardy Krüger in seinen besten Tagen. Die Camel-Boots hat er an den Senkeln verknotet und lässig über die Schulter gehängt.
In sehr gutem Englisch spricht er uns an und fragt, ob er Fotos von den Westies machen darf. Er ist Australier (ich werde gleich an die weit gereisten Wanderschildkröten vom westaustralischen Strom aus „Findet Nemo“erinnert) und kennt die Rasse auch aus seiner Heimat. Seine Mutter würde sich über die Bilder sehr freuen. Wir rufen das Rudel zusammen und er fotografiert.
Nach einiger Zeit der Unterhaltung fragt er, woher aus Schottland wir den kommen. Ich beantworte diese Frage wahrheitsgemäß mit „Etwa 1000 Km südlich von Edinburgh“, was ihm, nach einiger Überlegung, ein Stirnrunzeln abringt.
Ich kläre die Situation, indem ich uns als „bloody Krauts from Germany“ oute, was man uns doch eigentlich schon rein äußerlich ansehen sollte. Nun möchte er natürlich genau wissen, was es mit der ungermanischen Kleidung auf sich hat. Im Gegenzug teilt er uns mit, dass er schon in Deutschland war und das Land sehr schön fand..Er ist ein netter Kerl von der Sorte, mit der man sich auch gern ganz spontan an einen Tisch setzt und ein Bier trinkt.
Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile, bevor er dann in Richtung Stadt weitergeht - havve nice day, Dude!
Als auch wir Weitergehen wird mir bewusst, dass es im Leben wohl eine entscheidende Rolle spielt, zu welcher Zeit man einen anderen Menschen an einem bestimmten Ort trifft, um ihn sympathisch finden zu dürfen oder ihn hassen zu müssen.
Wären wir uns hier vor 60 Jahren begegnet, hätten wir sicherlich ohne zu zögern aufeinander geschossen.
In Nachhinein tun mir die vielen Menschen leid, die damals hier am Strand von Arromanches les Bains nicht die Chance hatten, ein paar freundliche Worte miteinander zu wechseln.
Wir gehen zurück in die Realität und durchqueren den Ort in Richtung Wohnmobil. Die Hunde haben sich bereits wieder trocken gelaufen und sehen nicht mehr ganz so wild aus. Auf unserem mitgeführten Trimmtisch trennt Heike den Strand dann endgültig von den Hunden, während der Rest der Meute zufrieden im Gitterauslauf in der Sonne döst.
Nach dem Bürsten genießen die Hunde die Ruhe ihrer Schlafboxen. Wir hingegen wollen nach einem passenden Lokal Ausschau halten und laufen wieder in den Ort. Da jetzt alle Stellplätze belegt sind, können wir den Wagen mit unserer wertvollen Fracht ruhigen Gewissens verlassen, ohne ein großes Risiko einzugehen. Auf der „Flaniermeile“ werden wir wieder von der Musikberieselung empfangen, die man allerdings bereits schon nach kurzer Zeit nicht mehr bewusst wahrnimmt. Wir durchstöbern fast alle Läden und erliegen als frühere Modellbauer vielleicht auch manches Mal der Faszination der Auswahl der angebotenen Modelle. Auf Dauer gesehen wird das Angebot aber eintönig, denn so uniform wie die Uniformen der Püppchen in der Auslage ist eigentlich auch das gesamte Angebot. Peter
entwickelt reges Interesse an einem Zippo-Feuerzeug für seine Sammlung, doch der Preis schreckt ihn immer wieder ab. Auch hier herrscht eine militärische Einheitlichkeit zwischen den Geschäften.
Im Zentrum des Dorfes, neben dem Platz mit dem Blick auf den Strand, lockt das „Musee du Debarquement“ Besucher scharenweise an. Rund um dieses Gebäude stehen ebenfalls wieder jede Menge Kriegsgerät, von der Flakkanone über die 25-Pfünder Haubitze bis hin zum M3 Halbketten LKW. Der stolze Eintrittspreis und die nur noch kurze Öffnungszeit für diesen Tag lassen uns aber von einem Besuch der Ausstellung im Innern Abstand nehmen. Stattdessen findet Heike in einem Schaufenster, eingepfercht zwischen den Modellarmeen, eine kleine Westiefigur. Da wir für jeden Westie inmitten dieser militanten Umgebung ein Herz haben, kaufen wir ihn selbstverständlich und nehmen dann gleich gegenüber in Restaurant Au 6 Juin Platz.
Als erschwingliches Menü wählen wir ein Steak mit Salat und Frites (und wieder hege ich beim Essen Zweifel an den Vorzügen der französischen Kochkunst).
Die Gassirunde der Hunde nach dem Füttern am Abend beschränken wir auf die Umgebung des Parkplatzes, was nach dem heutigen langen Strandaufenthalt auch akzeptiert wird.
Am heutigen Dienstag wollen wir zwar noch ein Stück des Rückweges bestreiten, doch nach dem Frühstück nutzen wir das sonnige Wetter erst einmal für einen weiteren Strandbesuch. Wir erkunden heute den Teil westlich der Ortsmitte und die Meute hält sich mit dem Einsauen auch etwas zurück. Wir bekommen heute sogar einen Einblick in die Fischerei an der hiesigen Küste. Ein kleines hellblaues Boot fährt direkt auf den Strand und der Fischer wirft einen „Anker“ in Form eines schweren Eisenklotzes. Während das Boot in den Wellen schaukelt, marschiert der Fischer schnurstracks über den Strand zu einem kleinen Parkplatz oben an der Zufahrtstrasse, auf dem einige alte kleine Traktoren mit sehr einfachen Anhängern aus einer T-förmigen Rohrkonstruktion stehen. Nach einigen Anlassversuchen tuckert er dann mit seinem Gespann zurück zum Boot und fährt rückwärts mit dem Anhänger ins Wasser. Bis zum Bauch in den Wellen, geschützt durch eine brusthohe Gummihose, rangiert er sein Boot auf den Anhänger und hievt es dann mit der kleinen Winde am Aufbau ganz hinauf. Nach wenigen Minuten rumpelt das Gespann schon wieder hinauf zum flutgeschützten Stellplatz hinter der Mauer.
Die Hunde hatten erst einmal ihren Auslauf und liegen nach einer
erneuten Entsandung wieder zufrieden im Wohnmobil, während wir noch einem Aussichtspunkt oberhalb der Stadt einen Besuch abstatten wollen. Von hier aus hat man einen guten Überblick über den Ort und wir können erkennen, dass nun, zum höchsten Stand der Flut, vom Strand nichts mehr zu sehen ist.
Das Wasser steht direkt an der Betonmauer, die den Strand zur Stadt abgrenzt und die Pontons, hinter denen wir gestern noch laufen konnten, ragen nun mitten aus dem Wasser. Auch dieser
Aussichtspunkt ist natürlich von einer Erinnerung an den Krieg geprägt. Ein Sherman Panzer steht hier als Mahnmal und eine kleine Tafel listet seine damalige Besatzung auf, alles Franzosen, die in der Armee des freien Frankreich unter dem Kommando von Charles De Gaulle und mit Ausrüstung der englischen Armee hier an Land gingen. Auf
dem Rückweg fallen uns die vielen Busse auf, die heute ganze Schulklassen amerikanischer Kinder nach Arromanches gebracht haben. Vor dem Museum ist die Haltestelle und im ganzen Ort laufen Kids mit Klemmbrettern und Fragebögen auf den Spuren Ihrer Urgroßväter herum. Ob die Kinder dieser Kinder später auch einmal
Busweise in Bagdad das Andenken an die jungen Amerikaner „pflegen“ werden, die vielleicht gerade heute dort bei „Gefechten für die Befreiung“ ums Leben kommen??
Peter hat sich entschlossen, auf dem letzten Gang durch den Ort nun doch das Geld für ein Invasions-Zippo zu opfern und Heike findet noch einen Plüsch-Westie, für den sie selbstverständlich auch noch einen neuen Lebensraum in Allemagne finden wird. Nach dem Kauf und noch einem leckeren Crepe von der Imbissbude verlassen wir Arromanches les Bains und fahren wieder hinauf zum 360° Kino.
Dort lösen wir noch einen Parkschein für 4,-€, um die Aussicht zu bewundern. Im Nachhinein sind wir froh, den Stellplatz unten in der Stadt gewählt zu haben, denn von hier oben aus wäre es jedes Mal ein ziemlicher Weg zum Strand gewesen. Hier pfeift zudem nicht nur ein gehöriger Wind, sonder er bringt auch sehr unangenehme Dünger-Düfte von den nahen Feldern herüber.
Wir verlassen gegen 15 Uhr die Küste und fahren auf unserer Rückreise landeinwärts über Bayeux, Caen und Lisieux bis ins Tal der Risle. Die Fahrt führt durch die schönen Landschaften der Basse Normandie, wobei die größeren Städte allerdings nicht sehr viel
Reizvolles bieten. Abseits der Nationalstrasse 13 fahren wir noch zum Einkaufen in einen kleinen Ort, der jedoch nicht mehr als einen Comete-Supermarkt zu bieten hat. Zum Abendessen wollen wir Bratkartoffeln machen und ich kaufe dazu eine Packung
Würstchen, die aussehen wie leckere dickere Bratwürste und Andouillettes heißen. Für diesen Teil unserer Reise hatten wir keine konkreten Planungen getroffen, so dass wir letztendlich froh sind, als wir in Brionne den Hinweis zum Camping Municipale auf einer
großen Hinweiskarte an einem Parkplatz finden. Für nur 12,80 € weist man uns hier den Stellplatz Nr. 44 zu, wo wir auch wieder einen Stromanschluss vorfinden. Die Duschgebäude sind sauber und selbstverständlich ist die Benutzung ebenfalls im Preis enthalten. Leider beginnt es zu regnen, so dass wir die Hunde nicht mehr bei trockenen Verhältnissen ausführen können. Dafür liegt direkt neben dem Campingplatz eine Sportanlage, die auch über die Wege des Platzes zu erreichen ist. Im Hinteren Teil befindet sich ein Rugbyfeld auf dem auch unser Rudel einige „Touch Downs“ an der 30 Yard-Linie platziert (die Heike natürlich gleich wieder einsammelt). Für den Rest des Abends regnet es sich richtig ein. Die Andouillettes zum Abendbrot entpuppen sich als geschmacklich wie optisch fragwürdige Gesellen. Bratwürste sind es definitiv nicht und als wir uns mit Peters Wörterbuch an die Beschreibung der Zutaten auf dem Etikett herantasten, kommt der Verdacht auf, dass es sich um Kuttelwürste aus Schweinedärmen handelt. Einige Bestandteile, die Heike bei der folgenden Obduktion des Abendessens sicherstellt, weisen auch sehr deutlich darauf hin. Unser Senfverbrauch an Bord war darauf hin noch nie so intensiv, Peter zieht es sogar vor, draußen noch eine Zigarette zu rauchen statt sich weiter seiner Andouillette zu widmen.
Erster größerer Ort am heutigen letzten Tag unserer Fahrt ist Rouen. Hier würden wir gern die Kathedrale besichtigen, doch für Fahrzeuge in der Größe eines Wohnmobils hat die Stadtverwaltung keine Parkflächen eingeplant. Der Versuch, zu einem Parkplatz in einer Seitenstrasse zu gelangen endet mit einer Pause in der
Zufahrtstrasse, da wir erst warten müssen, bis ein am Rand stehendes Fahrzeug die Durchfahrgasse freigibt.
Die Kathedrale sehen wir nur einmal kurz zur Linken beim Überqueren einer Kreuzung. Der Rest der Rückreise an diesem Mittwoch ist geprägt durch eintönige, endlos sich gerade durch das Land ziehende Straßen, einen permanent sehr böig wehenden
starken Wind mit Regenschauern und die Tatsache, dass ab mittags in Frankreich keine offene Imbissbude mehr zu finden ist. Erst nachmittags, an der Autobahn in Belgien, können wir endlich unser Mittagessen auftreiben.
Die Entscheidung für die Normandie als Alternative zu Polen war im Rückblick nicht schlecht getroffen. Das Wetter spielte mit und wir haben Landschaften kennen gelernt, die, jede auf ihre Art, einen Urlaub wert waren. Die Normandie ist als Ziel für Hundehalter wegen ihrer Infrastruktur aber auch wegen fehlender Verbote zum Führen der Hunde bestens geeignet. Unbestritten ist aber auch, dass man sich westlich der Seine-Mündung der jüngeren Geschichte dieses Landstrichs nicht entziehen kann. Die permanente Anwesenheit von stummen Zeugen dieser Geschichte und die Gewissheit oder wenigstens die Vermutung, dass an dem Strand, an dem sich vielleicht gerade die Hunde im Sand wälzen, 60 Jahre früher Menschen gestorben sind, nur weil sie zu einem falschen Zeitpunkt der Weltgeschichte hier vorbei kamen, erinnern ständig daran.
Andererseits hätten wir es vor diesem spontanen Entschluss zu einem Frankreichbesuch nie für möglich gehalten, Sympathien für dieses Nachbarland zu entwickeln, die über unsere Kontakte zur Hundezüchterszene hinausgehen. Ein Besuch der Cherbourg-Halbinsel Cotentin oder gar eine Weiterfahrt zum Mont San Michel und in die Bretagne sind nun durchaus in denkbare Nähe geraten. |
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